Gestern plauderte Jupp Heynckes in der Fußball-Talkshow „Sky 90“ aus dem Nähkästchen. Dabei verriet der Triple-Sieger 2013 auch, dass er sich nicht als Klub-Weltmeister fühlt. „Seit dem 1.7. hat ein neuer Trainer das Zepter übernommen beim FC Bayern“, so Heynckes. „Ich denke, dass es sein Erfolg ist. Die Voraussetzung war, dass wir die Champions League gewonnen haben, das ist richtig.“
Auch Uli Hoeneß‘ Aufforderung, sich eine DVD mit seinen Erfolgen anzuschauen, hat Heynckes noch nicht beherzigt. „Das mag ich überhaupt nicht, dass ich mir das noch anschaue, was zurückliegt. Das ist nicht mein Naturell, das mag ich nicht. Ein Glas Rotwein hab ich schon getrunken. Das ist richtig.“
Der Welt- und Europameister (1974/1972) ist für die Auszeichnung „Welttrainer“ nominiert. Wäre das die Krönung? „Was heißt Krönung? Ein Trainer ist vergleichsweise wie ein Dirigent eines Symphonieorchesters. Ein Trainer mit sehr guten Fußballern kann so einen Fußball bieten, wie wir es gemacht haben. Ich würde mich darüber freuen, aber das lasse ich auf mich zukommen. Da mache ich mir nicht so viele Gedanken.“
Der gebürtige Mönchengladbacher ließ auch noch mal die emotionale und tränenreiche Reaktion nach seinem letzten Bundesligaspiel im Borussia-Park Revue passieren: „Ich habe es immer mal sehen müssen. Die Situation war die, dass es das letzte Saisonspiel in Gladbach war, wo alles begonnen hat. Ich wusste, dass ich meine Karriere beenden werde. Es ist nachvollziehbar, dass dann Emotionen hochkommen. Mir sind wahnsinnig viele Dinge durch den Kopf gegangen. Das spielte alles eine Rolle, warum ich so reagiert habe.“
Heynckes erklärte auch, wie man es schafft, eine Mannschaft hungrig bei Appetit zu halten: „Entscheidend war die Situation nach dem Champions League Endspiel gegen Chelsea, dass wir dann die Situation analysiert haben. Wir haben den Kader optimal verstärkt, nicht nur mit Topspielern, aber mit charakterlich einwandfreien Spielern. Die letzte Saison gezeigt, dass der FC Bayern nicht nur das Triple geholt hat, sondern die beste Mannschaft der Welt war. Ich denke, wir haben eine Dekade eingeläutet. Einige Spieler haben den Zenit noch gar nicht erreicht. Ich bin der Meinung, dass man in den nächsten Jahren die Mannschaft immer auf Weltklasseniveau halten kann.“
Wie war das Karriereende? „Ich bin nie froh gewesen, wenn ich meine Tätigkeiten beendet habe“, so Heynckes. „Ich wusste genau, mit 68 ist die Zeit gereift, dass man Schluss machen muss, wenn man solche Erfolge erringt, dass man dann die Karriere beendet. Den Entschluss habe ich viel früher gefasst, im Sommer 2012.“
Die Dominanz des FC Bayern ist natürlich auch Heynckes nicht verborgen geblieben: „Das Plus beim FC Bayern ist, dass man von einem Spiel zum anderen fünf, sechs Positionen ändern kann. Sie haben unheimlich viele Verletzte, trotzdem merkt man das nicht im Leistungsniveau. Das ist eine junge Mannschaft, die sich noch weiterentwickelt, deshalb ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Sch sehe in Europa keine Mannschaft, die so gut ist wie der FC Bayern.“
Heynckes begrüßt auch Pep Guardiolas Schachzug Philipp Lahm auf die Sechser-Position zu beordern: „Philipp ist ein hochintelligenter Fußballer. Der findet sich unheimlich schnell in solch einer Position zurecht. Ich finde, Philipp hat das prima gemacht, aber über kurz oder lang wird er wieder auf der rechten Verteidigerposition spielen.“
Auch Bastian Schweinsteiger wird von Heynckes noch geadelt: „Wenn wir Weltmeister werden wollen, das können sie nur mit einem hundertprozentigen Schweinsteiger. Er ist der beste Mittelfeldspieler, den wir haben. Weltweit gibt es ein paar andere, die sind genauso gut. Bastian ist genial für mich. Er denkt wie ein Trainer.“
Die Wahl zum Weltfußballer verfolgt „Don Jupp“ mit großem Interesse: „Wer Weltfußballer wird, sollte einige Titel geholt haben. Ich denke schon, dass es Ribéry verdient hat. Mein Favorit ist Ribéry.“ Heynckes ließ auch wissen, dass sein Rücktritt endgültig ist. „Wenn ich nochmal gewollt hätte, dann hätte ich schon was gemacht. Das ist alles beendet.“ Auch sein Verhältnis zu Uli Hoeneß wurde thematisiert: „Das Verhältnis ist nie anders gewesen. Wir haben immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Wir sind Menschen, die miteinander reden und sich etwas ins Gesicht sagen.“
Hat die Verpflichtung von Sportvorstand Matthias Sammer den Erfolgstrainer noch mehr angestachelt? „Ich brauche niemanden, der mich antreibt“, sagt Heynckes. „Wir haben gut zusammengearbeitet. Dass es mal knistert, das ist doch normal. Matthias war Teil des Ganzen. Ich denke, dass man von außen zu viel hinein interpretiert hat.“
Der ehemalige Knappen-Coach äußerte sich auch zur Kritik an Schalke-Trainer Jens Keller: „Wenn täglich über den Trainer diskutiert wird, wird auch in der Mannschaft diskutiert. Unterschwellig ist das negativ. Man muss sich vorher im Klaren sein, welchen Trainer man verpflichtet. Dann muss man zum Trainer stehen, bedingungslos. Das Gefühl habe ich auf Schalke nicht.“
Interessant auch die Geschichte, dass Heynckes seine Karriere fast schon 1985 beendet hätte. Der damals 40-jährige war Trainer von Borussia Mönchengladbach, im Achtelfinale des UEFA-Cups schlugen die Borussen die Königlichen von Real Madrid im Hinspiel im Düsseldorfer Rheinstadion mit 5:1. 14 Tage später folgte dann trotzdem das bittere Aus, die Gladbacher gingen im Estadio Santiago Bernabeu mit 0:4 unter.
„Das war der schlimmste Moment meiner Karriere“, befindet Heynckes heute. „Ich wollte nicht mehr Trainer sein. Wir hätten die erste Partie sogar mit 7:1 gewinnen müssen, aber ein Spieler – dessen Namen ich jetzt nicht nennen möchte – war zweimal frei vor dem Tor und verweigerte seinem mitgelaufenen, besser postierten Mannschaftskameraden das Zuspiel. Anschließend verloren wir 0:4 in Madrid und schieden aus. Danach habe ich gedacht: jetzt werfe ich alles hin. Das war sogar noch schlimmer als die Morddrohungen, die später in meiner Karriere erhalten habe.“
Gänsehaut kam im Studio und an den Fernsehschirmen der Nation auf, als Heynckes‘ Ex-Assistent Peter Hermann eine Anekdote auspackte. „Während wir mit Bayern im Trainingslager in Katar waren, ist meine Mutter gestorben“, erinnert sich Hermann. „Ich musste dann alleine nach Hause fliegen, einen Tag vor der Mannschaft. Auf der Beerdigung stand dann plötzlich auch der Jupp am Grab. Er hat die Reisestrapazen von Katar über München ins Rheinland auf sich genommen, um dabei zu sein. Das war nicht mal eben ein Trip von Nürnberg nach Fürth. Das zeigt, welch toller Mensch der Jupp ist!“