Niedersachsen-Derby: „Dortmund gegen Schalke ist Kleinkram!“

Selbst im Rathaus von Hannover ist das Niedersachsen-Derby zwischen 96 und Eintracht Braunschweig am heutigen Abend zum großen Thema geworden. Hannovers Bürgermeister musste sich jetzt bei seinem Kollegen aus Braunschweig entschuldigen.

Die Bild-Zeitung berichtet, dass Hannovers Rathaus nämlich ein Schreiben verlassen hat, in dem ein Mitarbeiter im Zuge einer Demonstrationsroutengenehmigung den „Braunschweiger Platz“ in „Platz der verbotenen Stadt“ umgewidmet hat. 96-Anhänger sprechen in diesem Terminus gerne über die Stadt Braunschweig. Das eigenmächtige Umtaufen des Braunschweiger Platzes zog persönliche Konsequenzen für den Mitarbeiter nach sich.

Bei der Stadt Hannover hatte Eishockey-Fan Katuscia De Min eine  Fan-Demo der Hannover Scorpions beantragt, schreibt die „Hannoversche Allgemeine“. Die Eishockeyfreunde wollten vom Hauptbahnhof durch die Stadt zum Stadion ziehen. Zwei Tage später gab es die Genehmigung der Stadt Hannover. „Nachdem ich die Mail aufgemacht hatte, war mir zuerst nichts spezielles aufgefallen“, so De Min. Der Verwaltungsangestellte führte in der Genehmigung noch einmal alle Straßen auf, die für den Marsch vorgesehen waren. Dabei nannte er den Braunschweiger Platz tatsächlich „Platz der verbotenen Stadt“.

Hannovers Stadtsprecher Udo Möller entschuldigte sich stante pede für den Fauxpas des Verwaltungsangestellten: „Die Stadtverwaltung bedauert das Fehlverhalten des Mitarbeiters außerordentlich. Das Schreiben ist ohne Abstimmung mit der Behörde verfasst worden.“ Auch Hannovers Stadtprimus Stephan Schostok (SPD) sagte „Sorry“ bei seinem Braunschweiger Amtskollegen Gert Hoffmann von der CDU.

Braunschweigs Oberbürgermeister sah die Sache allerdings nicht so tragisch: „Ich habe mich für den Anruf bedankt. Diesen sehe ich als Zeichen unserer auch persönlich guten Beziehung. Ich habe Herrn Schostok auch mitgeteilt, dass ich der Sache keine größere Bedeutung beimesse.“

Heute Abend treffen sich Hannover 96 und Eintracht Braunschweig zum 37. Mal in einem Bundesligaduell. Nicht nur im Rathaus treibt das Spiel seltsame Blüten. Beispielsweise haben einige Hannover Ultras eine Form von Bürgerwehr ins Leben gerufen, die nachts Patrouille an der HDI Arena geht. Bei einem Kontrollrundgang trafen die selbst ernannten Hüter der Ordnung allerdings auf richtige Polizisten, ein Zivilbeamter bekam dabei eine Ohrfeige verpasst, anschließend kamen die realen Dienstausweise zum Vorschein und die flüchtenden Nachtwächter fanden sich auf dem Präsidium wieder. Fünf Personen wurde festgenommen.

Die 96-Anhänger wollen verhindern, dass Eintracht Braunschweig Fans vor dem Derby die HDI Arena mit Graffiti besprühen könnten. Stadion-Boss Thorsten Meier konstatierte in der HAZ: „Wir wissen erst seit etwa einer Woche von diesen Kontrollen. Es kann sein, dass ich kurz vor dem Derby der eine oder andere Fan dazu aufgerufen fühlt, auf das Stadion aufzupassen.

Schließlich haben vor ein paar Wochen Eintracht Braunschweig Fans die denkmalgeschützte Mosaikwand am Südeingang mit Farbe besprüht. Es gab aber auch schon ähnliche Aktionen von 96-Fans in Braunschweig.“ 96-Fanbeauftragter Johannes Seidel betonte: „Der Verein appelliert immer wieder an seine Fans, sich bezüglich des Derbys friedlich zu verhalten. Alle freuen sich auf das Spiel, die Stimmung ist total positiv.“

Hannovers Präsident Martin Kind stuft das Derby als Hochrisikospiel ein, Experten erklären, dass zum Vergleich Dortmund gegen Schalke Kleinkram sei. Laut Hannovers Polizeieinsatzleiter Guido von Cyrson werden auf beiden Seiten etliche gewaltsuchende und gewaltbereiten Anhänger erwartet, insgesamt seien bei der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze 850 Hooligans der Kategorie B und C registriert.

Auch Eintracht-Präsident Sebastian Ebel macht sich Sorgen und erklärt, dass ihm auch zugereiste Gewalttäter Angst machten, er befürchte einen „Randaletourismus“. Guido von Cyrson kann dies nur bestätigen und ergänzt: „Es ist richtig, dass sich gewaltbereite Zuschauer Unterstützung suchen. Hier muss von einer erklecklichen Mobilisierung der Problemfans gesprochen werden. Wir wollen niemandem die Hoffnung auf ein friedliches Spiel nehmen, aber es besteht eben ein großes Risiko.“

Prophylaktisch wurde die Anzahl der Ordnungskräfte in der HDI Arena von 580 auf 700 nach oben geschraubt. Anders als bei den herkömmlichen Heimspielen der 96er gab es für das Derby keinen freien Kartenverkauf, 4.000 Tickets waren für die Gästefans bestimmt, 96-Mitglieder konnten maximal zwei Eintrittskarten erwerben.

Hannovers Sicherheitschef Jürgen Niggemeier hofft deshalb, dass nur ganz wenige Braunschweig-Fans außerhalb ihres Fanblocks anzutreffen sein werden, die Braunschweiger Zuschauer werden zudem durch einen Pufferblock von den Hannover-Fans abgetrennt sein. Ferner wird nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt. Guido von Cyrson: „Dieses Derby stellt Anforderungen an die Sicherheitskräfte, die den bisherigen Rahmen deutlich sprengen. Es wurden aus Sicherheitsgründen lediglich 47.200 statt der möglichen 49.000 Tickets verkauft.“

In einem offenen Brief erklärten 96-Nationalkeeper Ron-Robert Ziegler und Hannovers Kapitän Lars Stindl: „Wir appellieren an euch, friedlich und fair zu bleiben. Im Derby ist kein Platz für Pyrotechnik, Gewalt und Anfeindungen.“  Und Theresa Enke, Witwe des vor vier Jahren verstorbenen Hannover-Keepers Roberts schrieb auf der offiziellen Facebook-Seite des Clubs: „Das warst Du, heute vor vier Jahren. Es war ein Derby und das letzte Fußballspiel in deinem Leben.

Heute ist wieder Derby-Zeit und unser Land denkt dabei auch an Dein Schicksal. Ich hoffe auf einen friedlichen Abend. Ihr alle werdet damit nicht nur Robert, sondern über vier Millionen depressiven Menschen in Deutschland gerecht. Es sind Betroffene, die sich in Eurem Umfeld befinden und aus der öffentlichen Diskussion um die Krankheit wichtige Hoffnung schöpfen. Egal, ob schwarz-weiß-grün oder blau-gelb.“

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