Di Matteo vom Retter zum Rumpler!

Am 23.10. haben wir über die Heuchelei auf Schalke berichtet. Jetzt scheint das von uns kritisierte Fußball-Leitmedium „kicker“ bezüglich des königsblauen Trainerkarussells selbst ein Licht aufgegangen zu sein.

Mission gescheitert?

Mission gescheitert?

Reporter Jan Lustig (schreibt eigentlich nur über Borussia Mönchengladbach) durfte am Mittwoch die Schalker bei der Champions-League-Pleite in Lissabon begleiten und konstatierte in der Donnerstagsausgabe unter der Überschrift „Di Matteo am Scheideweg“, dass sich auch bei der Bewertung des bisherigen Wirkens unter Neu-Trainer Roberto di Matteo die Waagschale zum Negativen zu neigen drohe.

„Denn die defensive Philosophie des Italo-Schweizers reichte zwar zu minimalistischen Siegen gegen Mittelklasseteams wie Hertha (2:0) und Augsburg (1:0). Doch auf internationalem Niveau ist Schalke so nicht konkurrenzfähig. Siehe die jüngste Niederlage und insgesamt sieben Gegentore in zwei Partien gegen Lissabon, siehe das desolate 0:1 in Leverkusen – und auch das äußerst glückliche 4:3 im Hinspiel widerlegt diese Eindrücke bei objektiver Betrachtung nicht. Spätestens seit Mittwochabend ist damit klar: allein mit der Konzentration auf die Abwehrarbeit wird di Matteo Schalke nicht entscheidend voranbringen.“

In der Montagsausgabe vom 10. November 2014 macht die Fußballbibel dann plötzlich mit der Titelgeschichte „Wechsel ohne Wirkung“ auf: „Böse Überraschung auf Schalke: Mit di Matteo wurde noch nichts besser.“ In seinem Editorial schreibt Jean-Julien Beer aus der Chefredaktion, dass ein Wechsel des Chefcoaches nicht immer eine klare Verbesserung bedeute. „Die Entscheidung des Revierclubs für Roberto di Matteo war auf den ersten und zweiten Blick mutig, sie bleibt es nach zwei Niederlagen in einer Woche und drei verlorenen Auswärtsspielen auch auf den dritten Blick“, so Beer weiter.

„Wir nannten sie schon am ersten Tag riskant. Noch ist nichts besser geworden nach der Trennung von Jens Keller. Unser Schalke-Experte Thiemo Müller analysiert dieses Dilemma auf Seite 19.“ Genau dieser Redakteur Müller war wohl bei der Redaktionskonferenz nicht anwesend, als man sich darauf einigte, die Entscheidung pro di Matteo als riskant zu bezeichnen.

Denn in seinem Lobgesang vom 16. Oktober faselte Müller: „In den ersten Tagen unter di Matteo verriet nun schon Boatengs Trainingseinsatz: der Routinier lässt sich von frischen Impulsen antreiben. Neben Kapitän Benedikt Höwedes war Boateng für den neuen Fußballlehrer erster Gesprächspartner unter vier Augen, um die Mannschaft auf seine Linie einzuschwören. Di Matteo, auch in der Personalführung taktisch geschickt, hat so speziell die führenden Köpfe des Teams auf Anhieb hinter sich gebracht.“

Diese führenden Köpfe versagen nun auch unter di Matteo nicht nur auf dem Platz auf ganzer Linie. Während Kevin-Prince Boateng auf dem Feld wieder mit ähnlich frischen Impulsen zu Werke geht wie schon unter Keller, besticht Kapitän Benedikt Höwedes (sah in Freiburg bei beiden Gegentoren ziemlich alt aus) nicht nur durch fußballerische Null-Leistungen.

Nachdem er die Schmach in Lissabon schon ziemlich billig mit fehlender Fitness erklärte („Es fehlt nicht nur die geistige, auch die körperliche Frische. Ich glaube schon, dass wir in der Vorbereitung ein wenig mehr hätten machen können. Da kriegen wir jetzt ein bisschen die Konsequenz, dass wir vielleicht nicht jedes Spiel über 90 min gehen können in einer intensiven Phase. Wir müssen die physischen Defizite nach  und nach ausmerzen, damit wir wieder auf ein gutes Level kommen. Wir müssen im Winter ausgiebiger daran arbeiten, dass wir alle fit sind“), soll das Debakel in Freiburg die Konsequenz mangelnder Einstellung gewesen sein: „Nach der Pause hat uns auch der Charakter gefehlt.“

Dass es sich nicht gehört, seinem ehemaligen Coach Dreck hinterher zu werfen und das Profis für ihren Fitnesszustand auch selbst verantwortlich sind – geschenkt. Dass man in Freiburg aber nicht mal das Pensum einer mittelmäßigen Regionalligamannschaft an den Tag gelegt hat, kann nicht mangelnder Fitness geschuldet sein.

Scheint auch der „kicker“ gemerkt zu haben, der jetzt sogar einsieht, dass di Matteo aktuell ratlos wirke. Statt Retter-Kicken nur noch Rumpelfußball! Auch die Lobhudelei der verwöhnten Profis um Höwedes und Co. („Der Trainer ist ein ruhiger Typ, der klare Anweisungen erteilt, klare Vorstellungen hat und ein klares Spielsystem verfolgt. Er strahlt unheimlich viel aus. Er arbeitet sehr genau“) erscheine plötzlich fragwürdig. „Zumal di Matteos Auftreten bei seinen Profis zwar Respekt geweckt haben mag, aber offensichtlich keine Leidenschaft“ so der „kicker“.

Während Müller nach dem Trainerwechsel von den ersten Einheiten unter di Matteo schwärmte „Regelmäßig sind Chefcoach und Assistenten schon rund eine halbe Stunde vor offiziellem Beginn der Einheit auf dem Platz, ordnen und besprechen letzte Details. Auch die Profis treffen deutlich vor der Zeit ein. Sie begrüßen ihre Trainer per Handschlag, ehe die Einheiten nach kurzer Ansprache pünktlich starten. Unbeaufsichtigtes und entsprechend ungeordnetes Warmkicken vor offiziellem Trainingsbeginn scheint auf Schalke der Vergangenheit anzugehören“, gibt die Edelfeder aus dem Olympia-Verlag jetzt zu, dass die Fitnessdebatte um angebliche Versäumnisse Kellers, angestoßen von Sportvorstand Horst Heldt und Höwedes ein peinliches Alibi und alles andere als zielführend sei. Höwedes, der stets öffentlich für Keller in die Bresche sprang, beschädigte damit zudem seine Glaubwürdigkeit.“

Eben dieser Höwedes schwärme jetzt von der „natürlichen Autorität“ di Matteos. Ein Possenspiel und Bauerntheater! Beim Amtsantritt des Champion League Siegers von 2012 erkannte der „kicker“ eine neue Ordnung im Team, jetzt hechtet Heldt dem Trainer, der sei wie Jogi Löw (Aufsichtsratboss Clemens Tönnies) schon beim kleinsten Gegenwind in die Parade und stellt gegenteilig fest: „Es sieht von außen so aus, dass es mangelnder Wille ist. Wir hatten keine Struktur mehr.“

Boateng freute sich öffentlichkeitswirksam vor der ersten Partie unter dem neuen Coach gegen Hertha via Facebook noch: „Can’t wait for the Weekend!“ Nach seinem Rumpel-/Stehgeiger-Auftritt im Schwarzwald scheint er sich auf das letzte Wochenende kaum so gefreut zu haben…
Doch keine Sorge: das nächste peinliche Kapitel von der Volksbühne Bundesliga wird nicht lange auf sich warten lassen…Wir bleiben dran!

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